Antigone (18. 12. 2014)

Tragödie in der Schule
 

Keine Panik, nicht von Feueralarm oder anderen Katastrophen ist hier die Rede. Schon seit den Feierlichkeiten zum 15.Jubiläum unseres Schulgebäudes im September bahnte sich Etwas an, das in der Vorweihnachtszeit seinen Höhepunkt finden sollte. Schüler aller Klassen hatten in verschiedenen Projekten einen griechischen Markt vorbereitet, zu dem sich am Nachmittag des 18.Dezember viele Gäste in der Schule einfanden. Unterrichtsräume und Flure waren geschmückt und die Besucher konnten sich an Ständen die Ergebnisse der Projektarbeit anschauen, Schmuckstücke, Schwerter, Masken, Sternbilder, Mosaikbilder und Keramiken. Einiges davon konnte man gegen eine Spende auch mit nach Hause nehmen. Natürlich war wie immer auch für das leibliche Wohl gesorgt, an einem imposanten Buffet, das in diesem Jahr um einige mediterrane Köstlichkeiten bereichert war, konnten sich die Besucher für die Theateraufführung stärken. Gegen 18 Uhr strömten die Gäste dann in die Aula, die wie immer zu diesem Anlass festlich geschmückt war. Wie immer stimmt in diesem Fall nicht ganz. Denn die Gäste erwartete ein Weihnachtsbaum, der mit antiken Tiersymbolen und Amphoren aus Papier geschmückt war. Von den Fensterscheiben schauten griechische Theatermasken in den Saal. Die Bühne hatte sich dank der Mithilfe der Projektgruppe Bühnenbild in eine eindrucksvolle griechische Tempellandschaft verwandelt. Und dann begann das Spiel. Schüler der 7.-10.Klassen hatten die Tragödie „Antigone“ des Dichters Sophokles einstudiert. Sophokles lebte im 5.Jh.v.Chr.

 

Ort der Handlung ist die Stadt Theben, in der König Kreon nach der Verbannung seines Bruders den Thron bestiegen hatte. Die Söhne des ehemaligen Königs waren in einem erbitterten Kampf um die Herrschaft gestorben. Während Kreon den Eteokles, der an seiner Seite kämpfte, in Würde beisetzen ließ, befahl er die Überreste des Polyneikes, der gegen ihn kämpfte, den Tieren zum Fraße zu überlassen. Antigone, deren Schwester, missbilligt diese Handlungsweise des Königs. Im Prolog bittet sie ihre Schwester Ismene um Unterstützung, den König umzustimmen. Ismene lehnt aus Unterwürfigkeit gegenüber dem König ab. Daraufhin beschließt Antigone, ihrem Bruder Polyneikes auf eigene Faust eine würdige Beisetzung auszurichten. Als König Kreon durch einen Wachsoldaten davon erfährt, wird durch den Chor die Frage nach dem Verhältnis zwischen irdischen und göttlichen Gesetzen, zwischen Gehorsam und Moral aufgeworfen. Der treue Wachsoldat des Königs konnte Antigone am Grab des Bruders stellen und bringt sie zum Herrscher. Antigone räumt ein, ihren Bruder würdevoll beigesetzt zu haben. Kreon beschließt den Tod von Antigone, weil sie seine Gesetze gebrochen hat. Als die herbeigeeilte Ismene aus Liebe zu ihrer Schwester ebenfalls in den Tod gehen will, lehnt Antigone dies ab. Als Kreons Sohn Haimon, der mit Antigone verlobt ist, von deren Bestrafung durch Kreon erfährt, bezichtigt der seinen Vater, die göttlichen Gesetze zu missachten und seine staatliche Macht zu missbrauchen. Durch den Streit in Wut über die Sichtweise seines Sohnes will Kreon seine Gefangene nun lebendig einmauern. Ein blinder Seher namens Teiresias , der wie Antigone die göttlichen Regeln einhalten will, berichtet Kreon von dunklen Vorzeichen, worauf dieser den Seher der Lüge und der Geldgier bezichtigt. Daraufhin sagt Teiresias den Tod Haimons voraus. Verzweifelt über den angekündigten Tod seines Sohnes beginnt König Kreon nun, sein Weltbild infrage zu stellen. Als er aber seine Taten und Handlungen korrigieren will, ist es bereits zu spät. Antigone hat sich bereits erhängt, weil sie einen bevorstehenden Hungertod fürchtete. Ihr Verlobter Haimon hat aus Liebe zu Antigone, aber auch aus Enttäuschung über seinen Vater, ebenfalls den Freitod gewählt. Als Haimons Mutter und Kreons Ehefrau Eurydike durch einen Boten von diesen Vorfällen erfährt, stirbt auch sie durch die eigene Hand, weil der Schmerz über den Verlust einfach zu unerträglich ist. Als der Bote Kreon auch noch von der toten Eurydike berichtet, die in Kreon den alleinigen Schuldigen für die Ereignisse sah, beginnt der König endlich, seine bisherige Sicht der Dinge zu hinterfragen.

 

Die jungen Darsteller verhalfen uns, dem Publikum, mit dieser Aufführung zu einem glanzvollen Jahresausklang in der Schule. Nicht nur dass sie lange Textpassagen beherrschten, sie konnten mit Emotionalität und Ausdrucksstärke auch glaubhaft machen, dass sie den schwierigen Stoff tatsächlich verinnerlicht hatten. Mit der Wahl von Carolin U für die Rolle der Antigone ist ein wunderbarer Wurf gelungen. Überragend, textsicher, ausdrucksstark in Wort und Gesten, die Antigone wirkte entschlossen und zerbrechlich zugleich und war dazu noch wunderschön. Paula Z als König Kreon hatte es nicht leicht mit der Männerrolle, meisterte sie aber über weite Strecken. Mal auf dem Thron fläzend, dann wieder zusammengekauert hockend, mordend und maulend, Paulas Spiel zeigte einen spannungsvollen Wechsel zwischen herrschsüchtiger Cholerik und leisem Sinnieren. Pauline B, von der wir ja bereits tolle Theaterleistungen kennen, überzeugte auch in der Nebenrolle der Ismene. Es gelang ihr, den inneren Konflikt zwischen dem gelernten Gehorsam gegenüber dem Herrscher und der treuen Liebe zur Schwester zu vermitteln. In der Rolle des Haimon zeigte Benedikt B eine starke Leistung, textsicher in einem langen Dialog mit Kreon, mit bewusst (?) linkischen Bewegungen machte er den Konflikt zum Vater und die eigene Verzagtheit sichtbar. Exzellente Leistungen sahen wir auch in den weiteren Nebenrollen, so füllte Nick W die Rolle des Wächters mit Witz aus, er machte den Opportunisten deutlich, dem nichts wichtiger ist als er selbst. Dominik T als blinder Seher Teiresias wirkte weise aber auch verletzt durch Kreons Beleidigungen, am Ende verzweifelt ob der eigenen Ohnmacht. In der Rolle des Boten, der die schrecklichen Todesnachrichten an Kreon und an Eurydike überbringen muss, überzeugte einmal mehr Lili R, ihr Auftritt wirkte wie ein Donnerschlag. In Sprache und Gestik klar, hielt sie Kreon seine Schuld vor Augen und schilderte der Eurydike die Ereignisse, deren Entsetzen und Verzweiflung deutlich zu machen, Nancy R auf emotionale Weise gelang. Der Chor der Alten mit Nancy R, Annika B, Lea S, Antonia H, Jasmin K, Laila H, Jasmin B, wurde seiner Rolle als erzählendes, kommentierendes, beratendes Gremium von Erfahrenen, als Dialogpartner des Königs und der Antigone und auch als Stimme des Volkes gerecht. Die Chorleistung der sieben Mädchen verdient besondere Würdigung. Last, but not least geht natürlich ein ganz besonderer Dank an Frau Möller, die Leiterin der Theatergruppe, die in viermonatigen Proben die Schüler zu dieser tollen Leistung geführt hat, die von Anfang an daran geglaubt hat, dass es möglich ist, eine griechische Tragödie auf die Theaterbühne einer regionalen Schule zu bringen – und das mit Erfolg. Und sie hat damit recht behalten.



 

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